3.9 C
Hamburg

Zwischen Gesellschaft und Geopolitik: Wo ist die Menschlichkeit geblieben?

Spenden via PayPal:

Published:

Betrachtet man das Jahr 2024 in der Rückschau, muss man nüchtern feststellen, dass die Menschlichkeit auf der Welt eine immer geringere Rolle spielt. Gleichzeitig werden die Menschen mehr als je zuvor ermahnt, menschlich, tolerant und mitfühlend zu sein. Das ist ein schwer erträglicher Widerspruch.

Der Autor dieses Textes lebt nach einer langen Reise heute mit seiner Frau und zwei Hunden in Süd-Ungarn. Unser Dorf hat 103 Hausnummern und weniger als 200 Einwohner. Abends ist es so still, dass man am Fenster oder auf der Straße stehen und das Pochen des eigenen Körpers in seinen Ohren hören kann. Die Ruhe mag für andere Zeitgenossen unerträglich sein, für uns ist sie ein Segen. Nach bewegten Zeiten und Aufenthalten in drei Ländern haben wir uns nach Stille gesehnt, hier haben wir sie.

Kürzlich war ich im Auto unterwegs, als plötzlich „What a Wonderful World“ von Lois Armstrong gespielt wurde. Innerhalb von Sekunden fühlte ich mich zurückversetzt in eine Zeit, als ich noch schneller laufen konnte als der Wind. Von einem Moment auf den anderen sah ich eine Welt vor mir, die Ewigkeiten entfernt schien, und wenn man mein heutiges Tempo bei einem spontanen Sprint berücksichtigt, mag das mit der Ewigkeit sogar stimmen. Aber ich nahm vor meinem geistigen Auge mehr wahr als längst vergangene sportliche Höchstleistungen oder langes Haar, das ich mir damals zu einem Zopf binden konnte.

Ich sah etwas Ähnliches wie Frieden, wohlgemerkt auf eine Weise, die uns Menschen zuteilwird, wenn wir verklärend in die Vergangenheit schauen, um sie vielleicht wieder herbeizusehnen. So etwas wie den Weltfrieden habe ich nie erlebt, auch wenn ich schon ein paar Jahre auf dem Buckel habe, und vermutlich hat es diesen Weltfrieden auch nie gegeben, immer schon bekriegten sich Menschen, stritten sich um Land, Rohstoffe, Macht und Geld. Dennoch war es anders damals.

Es scheint – und womöglich verkläre ich schon wieder -, als wären die Menschen vor 20, 30 oder 40 Jahren eher in der Lage gewesen, ein friedliches Miteinander zu leben. Selbst bei dem berühmt-berüchtigten NATO-Doppelbeschluss wurden parallel zu den Auseinandersetzungen Verhandlungen geführt, um am Ende vielleicht doch zu einer friedlichen Lösung zu kommen. Begleitet wurden die brisanten politischen Verhandlungen durch unzählige Demonstrationen von Hunderttausenden Menschen, die laut ihren Unmut und ihre Angst zum Ausdruck brachten. Sie kamen zusammen, um ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen, wahrscheinlich waren sie sich damals sicher, mit ihrem Auftreten, Ihren Rufen und Forderungen etwas zu erreichen. Und vermutlich haben sie das auch.

Jetzt komme ich gerade von einem kleinen Spaziergang zurück, lausche dem Pochen in meinen Ohren und frage mich, wo all das geblieben ist.

„Gebt uns endlich Frieden!“

Und noch ein Song fällt mir während eines kleinen Dorfausfluges ein: „Frieden“ von Georg Danzer. Er stammt aus dem Jahr 1981 und machte mir schlagartig bewusst, dass auch damals die Welt von Kriegen durchzogen war.

„Ned nur I hab so a Angst
Ned nur I hab so an Haß auf Euch
Die ihr uns regiert’s
Tyrannisiert’s
In Kriege führt’s
Wir san nur Dreck für Euch

Vier Milliarden Menschen
Vier Milliarden Träume
Über die ihr lacht’s
Vier Milliarden Hoffnungen
Die ihr mit einem Schlag zunichte macht’s.“

Sollte es damals schon die heute oft behauptete angestrebte Reduzierung der Weltbevölkerung gegeben haben, hat sie in Anbetracht der derzeitigen Zahl der auf dem Planeten lebenden Menschen nicht funktioniert. Aber das größere Problem von Georg Danzer wäre heute vermutlich ohnehin, dass er in seinem Song Hass zum Ausdruck gebracht hat, also eine Emotion, die im Jahr 2024/2025 nicht ohne Maßregelung derer bleibt, die vorgeben, gegen eben diesen Hass vor- und auf die Straße zu gehen. Auch sie sind damit aber wenig erfolgreich, und das liegt in ihrem Fall nicht zuletzt daran, dass sie selbst zum allgemeinen Hass beitragen, indem sie ihn so hasserfüllt verurteilen, dass kaum Friede, Freude und Eierkuchen aufkommen mögen.

Darin scheint eine der Ursachen für die verlorengegangene Menschlichkeit zu liegen. Sie wird – zumindest in Deutschland – in einer Weise eingefordert, die teils so menschenverachtend ist, dass sie nur schwer zu Menschlichkeit führen kann. Es ist ein bisschen wie mit Narzissten: Schuld sind immer die anderen! Nicht die narzisstisch geprägte Persönlichkeit hat ein Problem, sondern das gesamte Umfeld um sie herum, das alles, wirklich alles falsch macht und so den Narzissten an seinem von außen verursachten Leid verzweifeln lässt. Und so sind am Hass in der Gesellschaft ebenfalls immer die anderen schuld, die Rechten, die Schwurbler, die Corona-Leugner, Putin-Trolle und die, die sich die Delegitimierung des Staates vorwerfen lassen müssen.

Vor einiger Zeit führte ich ein längeres Gespräch mit Walter van Rossum. Ich mag die Gespräche mit ihm, weil er meine Gedanken, die teilweise in losen Enden gipfeln, oft zusammenführt. In diesem Gespräch ging es um den Umgang mit Andersdenkenden, um die Meinungsfreiheit, um die Verfasstheit der Gesellschaft. Van Rossum sagte damals, dass es schon immer diejenigen gab, die sich am Rande der Gesellschaft befinden, er selbst gehörte auch dazu. Das konnte ich unterschreiben, denn meine Erfahrungen waren ähnlich. Der Unterschied zu heute aber, so fuhr er fort, sei der, dass eine Stimmung entstanden sei, die die Andersdenkenden nicht mehr kritisiert, zugleich aber als der Gesellschaft zugehörig anerkennt – sondern dass der Kurs der herrschenden Meinung heute darauf abzielt, die Unbequemen aus der Gesellschaft zu entfernen, sie nicht mehr als (unbequemen) Teil zu akzeptieren, sondern ihre Daseinsberechtigung per se in Frage zu stellen.

Mir scheint das schlüssig zu sein. Ich erinnere mich an die damals sogenannte „Tyrannei der Ungeimpften“ (in der Corona-Episode), die für mich den Beleg für die Richtigkeit von van Rossums Annahme darstellt. „Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen“, auch diese damals formulierte Aufforderung unterstreicht die These, dass bestimmte Meinungen samt der dazugehörigen Menschen, die sie äußern, aus dem gesellschaftlichen Leben getilgt werden sollen. Sie scheinen heute nicht mehr unliebsam, unbeliebt und Störfaktoren zu sein, sondern als Subjekte vollständig aus der Gemeinschaft entfernt werden zu sollen.

Man schaue sich nur dem Umgang mit der „Alternative für Deutschland“ (AfD) an, um van Rossums Worte zu untermauern. Die Partei wird als Beleg für den neuen Faschismus, grenzenlosen Rassismus und menschenverachtend dargestellt. Sie wird in einem Atemzug mit Hitler und dem deutschen Faschismus genannt, um so den Eindruck zu erwecken, diese Partei stehe für Nazismus, Mord, Vergasung und Deportationen. Ach, wenn es doch so wäre! Es wäre leichter, die Radikalität, mit der der AfD begegnet wird, zu verstehen. Es wäre ein heldenhafter Kampf gegen den neuen aufkeimenden Faschismus, träfen die unterstellten Attribute auf die AfD zu.

Doch von diesen behaupteten Zielen ist die AfD weit entfernt. Ich selbst wähle diese Partei nicht, in erster Linie wegen ihrer neoliberalen und auch so formulierten Ziele, die meiner Meinung nach zu einer weiteren sozialen Kälte in Deutschland führen würden, hätte sie die Macht, die sie anstrebt. Die Standpunkte der AfD zur Problematik der Migration in Deutschland kann ich teils nachvollziehen, teils sind sie mir zu oberflächlich und zielen auf eine politische Praxis ab, die nicht realisierbar erscheint.

Aber ich reibe mir verwundert die Augen, wenn ich verfolge, dass es nach wie vor ernsthafte Pläne eines AfD-Verbots gibt. Erneut denke ich an Walter van Rossum und frage mich, wie es dazu kommen konnte, für ein solches Verbot tatsächlich einen Konsens erzielt zu haben. Es ist geradezu verstörend, wenn ich mir vorstelle, eine Partei wie die AfD komplett aus der gesellschaftlichen und politischen Teilhabe Deutschlands entfernen zu wollen. Einmal mehr treffen wir also nicht auf einen politischen Streit, auf die Konfrontation unterschiedlicher Standpunkte, sondern auf den Wunsch, eine ganze Partei „ausradieren“ zu wollen.

Die Sache läuft auf eine schräge Art und Weise rund, denn das angestrebte Verbot der AfD wird argumentativ durch den Kampf für die Menschlichkeit begleitet, während die vermeintlichen „Kämpfer“ nicht nur beim Thema Parteiverbot, sondern auch in unzähligen anderen Themenfeldern ihre eigene Menschenfeindlichkeit unter Beweis stellen. Man könnte zugespitzt behaupten, dass die AfD mit ihrer Art der Argumentation eine Art Bauernfängerei betreibt, denn ich glaube nicht daran, dass die Mehrzahl ihrer inhaltlichen Forderungen a) realistisch und b) glaubwürdig sind. Doch wenn man das so sieht, gilt das Prinzip der Bauernfängerei für die Gegner der AfD in gleichem Maße, weil sie etwas konstruieren, das faktisch nicht haltbar ist und dabei totalitäres Denken an den Tag legen.

Genug damit! Hier geht es nicht um die Programmatik der AfD, sondern um die Frage, wie schnell und wie gut begründet man Parteien, Institutionen oder Menschen aus der Gesellschaft ausschließen kann und darf. Und die Antwort lautet leider: Es geht inzwischen sehr schnell und die Begründung für eine derart radikale Isolierung außerhalb der Gesellschaft muss längst nicht mehr gut und schlüssig sein, es reicht, bestimmte Feindbilder so lange zu pflegen, bis ihnen ihre Existenzberechtigung innerhalb der Gesellschaft abgesprochen wird.

Ein Hinweis sei aber noch gestattet, um nicht den Eindruck zu erwecken, es gehe hier nur um extreme Positionen. Der Ausschluss aus der Gesellschaft ist heute einfacher denn je, nicht, weil es gute Gründe dafür gäbe, sondern weil die Ausschlusskriterien immer enger gesteckt werden. Viele Menschen haben während der Corona-Episode die teilweise völlig neue Erfahrung gemacht, ein gesellschaftliches Problem darzustellen, weil sie Grundrechte schätzen oder gegenüber einer fragwürdig eilig entwickelten Impfung gegen Corona skeptisch waren. Sie fühlten sich zuvor als mündige und anständige Bürger, doch plötzlich war das vorbei.

Menschen, die nicht einverstanden sind mit dem scheinbar niemals enden wollenden Krieg in der Ukraine und die Friedensverhandlungen favorisieren, damit das millionenfache Sterben aufhört, wurden innerhalb kürzester Zeit „gefallene Engel aus der Hölle“ (Zitat Olaf Scholz, SPD-Mitglied und noch Bundeskanzler Deutschlands), sie mussten die Erfahrung machen, dass der Wunsch nach Frieden als Nähe zu Russlands Putin ausgelegt wird. Andere, die nach den Attacken der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 nur schwer ertragen können, dass der Gaza-Streifen danach durch die israelische Armee dem Erdboden gleichgemacht wird, hatten innerhalb weniger Tage den Stempel „Antisemitismus“ auf die Stirn gedrückt bekommen.

Niemand ist mehr sicher vor der Strafe von Politik und Medien, wenn er sich nicht so verhält, wie es der allgemeinen Erzählung entspricht. Und niemand sollte so unvorsichtig sein, sich einzubilden, dass er weiterhin ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft bleibt, weil er bislang unter dem Radar der politischen Erwartungen fliegen konnte. Eine Äußerung kann reichen, ein falsches Wort, eine unerwünschte Analyse, eine unerlaubte Forderung, und plötzlich ist der gesellschaftliche Ausschluss erfolgt.

Ein Blick in die Welt

Gerade komme ich von einem Spaziergang zurück. Von der oben beschriebenen Stille unseres Dorfes kann im Moment nicht die Rede sein, auch das Pochen in meinen Ohren war nicht zu hören. Während meines Ganges zum höchsten Punkt des Dorfes, an dem sich auch die Dorfkirche befindet, zischte ein eisiger Wind um mich herum und – so war das Gefühl – durch mich hindurch. Ich hielt dennoch durch, denn der Ausblick von dort oben ist einfach fantastisch! Ich sehe Felder, Wiesen, kleine Waldstücke und in weiterer Entfernung Berge, wenn ich dort oben bin (keine hohen Berge, aber dennoch ragen sie majestätisch über das flache Land hinaus).

Wenn man so weit blicken kann, bieten sich Gedanken über die Welt, in der wir leben, an. Es ist eine Welt voller Kriege und Kampf, voller Hunger, Verzweiflung und geopolitischer Kämpfe um Macht und Rohstoffe. Das ist nicht neu, so lange ich lebe, werden Krieg geführt, es ist ein Trauerspiel, denn scheinbar sind die Menschen nicht in der Lage, in friedlicher Koexistenz miteinander zu leben. Ich dachte dort oben, mit der Dorfkirche in Sichtweite, zurück an meine Jugend, an die Friedensdemos gegen Cruise-Missiles und Pershing II, an den „Krefelder Appell“ (den wohl kaum noch jemand kennt), für den ich Unterschriften gesammelt hatte, um in meinem jugendlichen Leichtsinn die Hoffnung zu pflegen, etwas für den Weltfrieden tun zu können.

Vom Weltfrieden sind wir weit entfernt, vielleicht weiter als jemals zuvor. Das allein reicht schon, um statt des friedlichen Pochens in meinen Ohren ein nervöses in meinen Schläfen zu erzeugen. Es scheint, als wären die Mächte dieser Erde unversöhnlicher geworden, es wirkt, als hätten die Gespräche längst vergangener Zeiten heute keine Bedeutung mehr, als seien die Staatenlenker nur noch an ihrem Bestehen und Weiterkommen interessiert, nicht aber an der Möglichkeit, nebeneinander her und miteinander zu leben, bei allen Unterschieden, die die Völker dieser Erde ausmachen.

Vermutlich passiert grade etwas Historisches, und doch würde ich gern auf die Rolle des Zuschauers und minimal Beteiligten verzichten. Meine Frau sagte vor einer Weile, sie habe lange Zeit gedacht, dass das geschichtlich bedeutsamste Ereignis, das sie erlebt hat, die Wiedervereinigung Deutschlands gewesen sei. Wäre dem so gewesen, es hätte ihr völlig gereicht, sagte sie mir. Wir neigen beide dazu, uns an einem langweiligen Leben zu erfreuen (und „langweilig“ ist in diesem Zusammenhang absolut positiv gemeint). Doch die Geschichtsschreibung hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Historisch ist vermutlich die Entstehung einer neuen Weltordnung, die sich derzeit abzeichnet. Die USA und ihre verbündeten Staaten, die faktisch nach 1945 die Fäden in den Händen hielten und die Gestaltung der Welt dominierten, verlieren an Bedeutung. Betrachtet man die USA als ein Imperium (und sie weisen alle Eigenschaften eines solchen auf), sind sie in „bester Gesellschaft“, denn Imperien haben bei allen Unterschieden eine Gemeinsamkeit, um die sie nicht herumkommen: Ihre Lebensdauer ist begrenzt.

Ich glaube nicht, dass das Ende des Imperiums der USA eine schlechte Nachricht ist. Die meisten Präsidenten der Vereinigten Staaten haben international keine guten Jobs gemacht. Die USA haben in ihrer Machtgier unzählige Länder überfallen, Regimewechsel initiiert, Landraub betrieben und beim Kampf um Rohstoffe keinerlei Skrupel gezeigt. Nun stellt sich nach und nach heraus, dass die überfallenen und ausgebeuteten Länder ihre defensive Rolle nicht mehr akzeptieren wollen. Daher knirscht es im globalen Gebälk gewaltig.

Hinzu kommen Länder wie Russland, China und die ihnen angeschlossenen BRICS-Staaten, die sich entschieden haben, dem Diktat der USA nicht mehr zu folgen, sondern etwas Neues, Eigenständiges aufbauen wollen. Die Tage der USA als Weltmacht und Imperium sind gezählt, der Riese wankt bereits, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis er in sich zusammenfällt. Das kann einem gefallen oder nicht gefallen, es ändert meiner Meinung nach aber nichts am weiteren Verlauf der Dinge.

Womit wir wieder beim Thema Menschlichkeit wären. Es hätte die theoretische Möglichkeit gegeben, dass sich die USA und ihre Verbündeten an die Situation anpassen, sich gewissermaßen den historischen Fakten fügen, und zumindest in Deutschland gab es vor einer Weile einmal einen Artikel (ich weiß nicht mehr, wo er erschien), in dem diese Frage durchaus nüchtern erörtert wurde. Doch ein Blick auf die Weltkarte und die Krisenherde dieser Erde macht deutlich, dass es keinen friedlichen Übergang in die neue Weltordnung geben wird, im Gegenteil, wir scheinen uns in der finalen Phase des Übergangs zu befinden, und diese wird blutig geführt und ebenso enden.

Es sind wohl diese historischen Gegebenheiten, die die Menschlichkeit, die ohnehin schon eine viel zu geringe Rolle gespielt hat, weiter ihrem Absterben zuführen wird. Die Unvernunft und Uneinsichtigkeit der Mächtigen des Imperiums USA wird – und das kommt erschwerend hinzu – kombiniert mit der Kurzsichtigkeit und Inkompetenz politischer Führer kleinerer Länder, die sich ausmalen, am Ende dieser tragischen Geschichte vielleicht doch noch eigene Vorteile davonzutragen. Auch sie sind nicht motiviert durch Volksnähe oder Demokratieverständnis, sondern vielmehr angetrieben durch Nibelungentreue gegenüber Mächtigen, denen Menschlichkeit fremd ist.

Und doch: Die Menschlichkeit ist nicht verpufft, sie wird nur nicht mehr von den politischen Führern hochgehalten (sollte dies überhaupt je der Fall gewesen sein). Jeden Tag können wir sie sehen, spüren, selbst erleben. Es gibt keine Alternative zur eigenen Menschlichkeit, und jede menschliche Geste, jede Hilfe, jede Art von Zusammengehörigkeit mit dem Anspruch, daraus etwas Gemeinsames, etwas Schönes entstehen zu lassen, ist die Chance, der fragilen wankenden und offenkundig gestörten Weltordnung etwas entgegenzustellen oder sogar positiv daran teilzuhaben. Die weltweiten Veränderungen lassen sich nicht aufhalten, sie kommen und sind im Entstehungsprozess, es gibt kein Gegenmittel, und selbst wenn die Menschlichkeit in den letzten Jahren unter die Räder politischer Skrupellosigkeit geraten ist, ist sie dennoch nicht verschwunden.

Es gibt diese Momente der Menschlichkeit, diesen Augenblick der Hoffnung, den wir festhalten müssen. Wenn wir dabei ganz still sind, spüren wir im besten Fall eine sich ausbreitende Ruhe in uns. Und dann hören wir womöglich ein Pochen in unseren Ohren und merken, dass wir den Klang der Menschlichkeit in uns tragen und ihn weitergeben können.

Keine neue Weltordnung und kein eisiger Wind werden uns daran hindern können.

Spenden via PayPal:

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrockhttps://seitenwende.org/
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

8 Kommentare

3.1 9 votes
Beitragsbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
8 Kommentare
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Andre
Andre
Gast
29 Tage zuvor

Ein schöner, langer Artikel. Hat Spaß gemacht und auch der Seele gut getan, ihn zu lesen.

Heribert
Heribert
Gast
29 Tage zuvor

Ja, Frau Weidel ist knuddelig, aber kalt! Dank der Politik der Grünen bin ich gezwungen, mich der Linkspartei oder dem BSW wahltechnisch zuzuneigen- obwohl die sehr viel beim Staat lassen möchten! Nun ja, es geht halt irgendwie weiter! Altersarmut leider kein Thema derzeit!

n.b
n.b
Gast
Reply to  Heribert
29 Tage zuvor

@Heribert:
Wenn sich nichts ändert, kann ich mit 67 weiterarbeiten, wenn ich denn hoffentlich fit bleibe. Rente? Ich war zulange krank (> 10J. Burnout und Krebserkrankung), dass ich ein Anrecht auf eine Grundrente hätte.

Ich würde gerne eine Diskussion haben, wie hoch eine Grundrente zu sein hat und warum…

Heribert
Heribert
Gast
Reply to  n.b
29 Tage zuvor

Moin Niki,

ja, bekanntes Problem! Grüne, Linkspartei, BSW für Mindestrenten! Sehr interessant, weil mit dem deutschen Modell kompatibel, das Modell der Katholischen Arbeitnehmerbewegung!

flurdab
flurdab
Gast
29 Tage zuvor

Guter Text.
Da bist du in „fast“ guter Gesellschaft.

„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“, soll Martin Luther einst gesagt haben.

Martin Luther ist ja quasi auch „umstritten“.

Verändern oder gar aufhalten können wir den Wahn eh nicht. Dafür hat die organisierte Krimminalität die Welt schon viel zu weit durchdrungen und überwuchert.

Amokimpfender Amtsarzt
Amokimpfender Amtsarzt
Gast
28 Tage zuvor

Es ist in Wirklichkeit eine perfide Politik, die man bewusst betreibt, um längst verwirkte Macht zu behalten und die Gesellschaft zu spalten: Man setzt uns (politische, technische, pharmazeutische etc.) Entwicklungen des reinen Wahnsinns vor. Und vernünftig denkende Menschen, die sich dann gezwungen sehen, dagegen aufzustehen und protestieren, werden als „Verschwörungstheoretiker“ oder Staatsdelegitimierer abgestempelt.

Wie kommen wir aus diesem Teufelskreis raus? Ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht wirklich. Nur eines weiß ich aus eigener Erfahrung: Man sollte tunlichst darauf achten, sich nicht zu sehr mit Tagespolitik bzw. Aktion-Reaktion zu verausgaben, sondern ganz unabhängig zu seiner politischen Tätigkeit auch schöne, konstruktive Ideen aufbauen bzw. Dinge umsetzen. Im Verhältnis von maximal 80:20% zugunsten dem Schönen. Ab 25% fängt es bereits zu kippen an und sie haben einen am Angelhaken. Frust und dunkle Umwölkung ist die Folge. Für die Gesundheit auf Dauer auch nicht ungefährlich. Daher: Jeden Tag Obacht auf diese Bilanz!

tomdose57
tomdose57
Gast
28 Tage zuvor

Leider eine zutreffende Analyse der Gegenwart.
Die Vergangenheit habe ich aber etwas anders in Erinnerung.
In den achtziger Jahren gab es heftige Auseinandersetzungen zur zivilen Nutzung der Kernenergie in Deutschlan und in auch in Frankreich.
Während in Frankreich die Atomkraftgegner Franzosen mit anderer Meinung waren, ware diese in Deutschland vaterlandslose Gesellen!

ubby
ubby
Gast
23 Tage zuvor

ja, ein zutreffender Text , die Menschlichkeit bleibt meiner Meinung auf der Strecke weil mit anders Denkenden nicht mehr geredet wird, oder einfach nur geschwiegen wird.man redet nicht mit Coronakritikern , man redet nicht mit Rechten ,man redet nicht mit Linken,man redet nicht mit vermeintlichen Gegnern. in der Gesellschaft ist die nicht vorhandene Dpilomatie angekommen, ich habe in meinem Leben immer mit allen geredet , ihnen zugehört , heute ist es so ,das ich auch bei langjährigen Freunden, Wegbegleitern schon fast verurteilt werde , weil ich Dinge , Handlungen anderer verstehen kann, und nicht generell alles negiere. Diskussionen werden gemieden,ob ich über Russland , china über Afd ,Corona rede ,ich spüre regelrecht eine versteckte Agression . bei alledem fällt mir auf , das egal wie jemand Handelte , ob er ein Ars.. ist oder nicht immer noch ein Mensch ist. und dadurch das ich trotz allem mit Ihm geredet habe , ich Ihn verändert habe. heute verweigern sich gerade die Gutmenschen einem seriösem Gespräch . komischerweise sind es gerade die so genannten Migranten die discussionsbereit sind , auch wenn wir verschiedene Einstellungen hatten .Wenn mir hier niemand zuhören will ,wo bleibt die Menschlichkeit ? ist das hier noch meine Heimat ? ich denke nein , ich bin froh das ich hier nur vorrübergehend bin und meine Entscheidung vor 15 Jahren Deutschland zu verlassen, sich mehr als richtig bestätigt hat.hier werde ich nur als Mensch behandelt ,wenn ich nicht zu laut bin, mich selbst verleugne.

Related articles

Recent articles

8
0
Would love your thoughts, please comment.x